Was ist eine Vorsorgevollmacht?
Eine Vorsorgevollmacht ist ein rechtliches Dokument, mit dem Sie einer Person Ihres Vertrauens die Befugnis erteilen, in Ihrem Namen zu handeln, falls Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind. Dies kann durch Unfall, schwere Krankheit, Demenz oder andere Umstände eintreten.
Rechtliche Grundlage
Die Vorsorgevollmacht basiert auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere:
- §164 ff. BGB: Allgemeine Vorschriften zur Stellvertretung
- §1820 ff. BGB (neu seit 2023): Regelungen zur Betreuung und Vorsorge
Wichtiger Unterschied zur gerichtlichen Betreuung
Ohne Vorsorgevollmacht bestellt das Betreuungsgericht im Ernstfall einen rechtlichen Betreuer - und das muss nicht unbedingt ein Familienangehöriger sein. Mit einer Vorsorgevollmacht bestimmen Sie selbst, wer für Sie handeln darf.
| Aspekt | Mit Vorsorgevollmacht | Ohne Vorsorgevollmacht |
|---|---|---|
| Entscheidungsträger | Von Ihnen gewählt | Vom Gericht bestimmt |
| Gerichtsverfahren | Nicht erforderlich | Betreuungsverfahren nötig |
| Kosten | Keine laufenden | Gerichts- und Betreuerkosten |
| Kontrolle | Vertrauensperson | Gerichtliche Kontrolle |
Warum jeder eine Vorsorgevollmacht haben sollte
Viele Menschen glauben, dass Ehepartner oder Kinder automatisch für sie handeln dürfen - das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Auch nächste Angehörige haben ohne Vollmacht keine Vertretungsbefugnis.
Situationen, in denen die Vollmacht greift
- Medizinischer Notfall: Entscheidungen über Behandlungen treffen
- Demenz oder Alzheimer: Graduelle Abnahme der Geschäftsfähigkeit
- Koma oder Wachkoma: Vollständige Handlungsunfähigkeit
- Schwerer Unfall: Vorübergehende oder dauerhafte Beeinträchtigung
- Psychische Erkrankungen: Zeitweise Geschäftsunfähigkeit
Alarmierende Statistiken
- Nur etwa 40% der Deutschen haben eine Vorsorgevollmacht
- Jährlich über 200.000 neue Betreuungsverfahren in Deutschland
- Durchschnittsalter bei Betreuungsbedarf: 78 Jahre
- Aber: Unfälle und Krankheiten können jeden jederzeit treffen
Ohne Vollmacht drohen
- Handlungsunfähigkeit der Familie: Ihr Partner kann nicht einmal Ihre Post öffnen
- Gerichtsverfahren: Langwieriges Betreuungsverfahren
- Fremde Betreuer: Möglicherweise unbekannte Person als Betreuer
- Kosten: Jährliche Betreuervergütung und Gerichtskosten
Wen sollten Sie bevollmächtigen?
Die Wahl des richtigen Bevollmächtigten ist die wichtigste Entscheidung bei der Vorsorgevollmacht.
Anforderungen an den Bevollmächtigten
- Volljährigkeit: Mindestens 18 Jahre alt
- Geschäftsfähigkeit: Selbst voll geschäftsfähig
- Vertrauenswürdigkeit: Absolutes Vertrauen notwendig
- Erreichbarkeit: Im Ernstfall verfügbar
- Belastbarkeit: Emotional und zeitlich in der Lage
Mögliche Bevollmächtigte
| Person | Vorteile | Nachteile |
|---|---|---|
| Ehepartner/Partner | Kennt Sie am besten | Möglicherweise selbst betroffen |
| Kinder | Familienbindung | Eventuell Interessenkonflikte |
| Geschwister | Lange Beziehung | Geografische Entfernung |
| Gute Freunde | Unabhängig | Keine rechtliche Bindung |
| Rechtsanwalt | Professionell | Kostenpflichtig |
Mehrere Bevollmächtigte
Sie können mehrere Bevollmächtigte benennen:
- Gemeinschaftlich: Alle müssen gemeinsam handeln
- Einzeln: Jeder kann allein handeln (empfohlen für Notfälle)
- Nachrangig: Ersatzbevollmächtigter, falls erster ausfällt
Wichtige Überlegungen
- Sprechen Sie vorher: Fragen Sie, ob die Person bereit ist
- Erklären Sie Ihre Wünsche: Je genauer, desto besser
- Informieren Sie Angehörige: Vermeiden Sie Überraschungen
- Überlegen Sie Konflikte: Wer könnte die Vollmacht anfechten?
Welche Bereiche sollten Sie regeln?
Eine umfassende Vorsorgevollmacht deckt verschiedene Lebensbereiche ab:
1. Gesundheitssorge
- Einwilligung in ärztliche Behandlungen
- Einsicht in Krankenakten
- Entscheidung über Therapien und Operationen
- Auswahl von Ärzten und Krankenhäusern
- Entscheidung über Pflegebedürftigkeit
- Wichtig: Bei lebensgefährlichen Eingriffen ist Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich
2. Aufenthaltsbestimmung
- Wahl des Wohnorts
- Umzug in Pflegeheim oder betreutes Wohnen
- Entscheidung über Unterbringung
- Organisation der häuslichen Pflege
3. Vermögenssorge
- Zugriff auf Bankkonten
- Verwaltung von Immobilien
- Abschluss und Kündigung von Verträgen
- Steuererklärungen
- Verwaltung von Wertpapieren
- Regulierung von Versicherungen
4. Behördenangelegenheiten
- Korrespondenz mit Behörden
- Sozialleistungen beantragen
- Rentenangelegenheiten
- Postempfang
5. Wohnungsangelegenheiten
- Mietvertrag kündigen oder abschließen
- Wohnung auflösen
- Haushaltsauflösung
Checkliste: Vollständige Vorsorgevollmacht
- Gesundheitssorge inkl. Operationen
- Aufenthaltsbestimmungsrecht
- Vermögensverwaltung
- Vertragsangelegenheiten
- Behördenkontakte
- Wohnungsangelegenheiten
- Post- und Telekommunikation
- Vertretung vor Gerichten
Vorsorgevollmacht vs. Betreuungsverfügung
Diese beiden Dokumente werden oft verwechselt, erfüllen aber unterschiedliche Zwecke:
Vorsorgevollmacht
- Wirkung: Sofort oder ab Eintritt der Hilfsbedürftigkeit
- Gericht: Kein Gerichtsverfahren erforderlich
- Kontrolle: Keine gerichtliche Kontrolle
- Kosten: Keine laufenden Kosten
- Bevollmächtigter: Handelt selbstständig
Betreuungsverfügung
- Wirkung: Nur Vorschlag für das Betreuungsgericht
- Gericht: Betreuungsverfahren wird durchgeführt
- Kontrolle: Regelmäßige gerichtliche Überprüfung
- Kosten: Gerichts- und Betreuerkosten
- Betreuer: Vom Gericht bestellt und überwacht
Wann welches Dokument?
| Situation | Empfehlung |
|---|---|
| Vertrauensperson vorhanden | Vorsorgevollmacht |
| Unsicher über Vertrauensperson | Betreuungsverfügung |
| Hohes Vermögen, Kontrolle gewünscht | Betreuungsverfügung |
| Schnelle Handlungsfähigkeit wichtig | Vorsorgevollmacht |
Beste Lösung: Kombination
Wir empfehlen, beide Dokumente zu erstellen:
- Vorsorgevollmacht als Hauptdokument
- Betreuungsverfügung als Absicherung, falls die Vollmacht nicht ausreicht oder angefochten wird
Muss die Vollmacht notariell beglaubigt werden?
Die kurze Antwort: Für die meisten Zwecke nicht zwingend, aber empfehlenswert.
Wann ist notarielle Beglaubigung Pflicht?
- Immobiliengeschäfte: Verkauf, Belastung oder Übertragung von Grundstücken
- Gesellschaftsrecht: Handelsregister-Anmeldungen
- Erbausschlagung: Vertretung bei Erbausschlagung
Vorteile der notariellen Beurkundung
- Höhere Akzeptanz: Banken und Behörden akzeptieren eher
- Rechtssicherheit: Notar prüft Geschäftsfähigkeit
- Beweiskraft: Schwerer anfechtbar
- Beratung: Notar erklärt rechtliche Folgen
- Archivierung: Notar verwahrt Urkunde
Kosten der notariellen Beurkundung
Die Gebühren richten sich nach dem Vermögenswert (Geschäftswert):
| Vermögenswert | Ca. Gebühren |
|---|---|
| Bis 10.000 € | 60 - 100 € |
| Bis 50.000 € | 120 - 200 € |
| Bis 100.000 € | 180 - 300 € |
| Bis 500.000 € | 450 - 700 € |
Alternative: Unterschriftsbeglaubigung
Günstiger als vollständige Beurkundung:
- Nur die Unterschrift wird beglaubigt
- Kosten: ca. 20-50 €
- Ausreichend für die meisten Fälle
Unsere Empfehlung
- Mindestens: Unterschriftsbeglaubigung
- Ideal: Vollständige notarielle Beurkundung bei höherem Vermögen
Eintragung im Vorsorgeregister
Das Zentrale Vorsorgeregister (ZVR) der Bundesnotarkammer ist die offizielle Datenbank für Vorsorgevollmachten in Deutschland.
Was ist das Vorsorgeregister?
- Elektronisches Register seit 2005
- Geführt von der Bundesnotarkammer
- Zugriff durch Betreuungsgerichte
- Ermöglicht schnelles Auffinden von Vollmachten
Warum registrieren?
- Auffindbarkeit: Gerichte finden Ihre Vollmacht im Ernstfall
- Kein Betreuungsverfahren: Gericht sieht, dass Vollmacht existiert
- Bundesweit: Funktioniert deutschlandweit
- Aktualisierbar: Änderungen können eingetragen werden
So registrieren Sie Ihre Vollmacht
Online-Registrierung: www.vorsorgeregister.de
Benötigte Angaben:
- Ihre persönlichen Daten (Vollmachtgeber)
- Daten des Bevollmächtigten
- Datum der Vollmacht
- Umfang der Vollmacht (Bereiche)
Kosten der Registrierung
| Registrierungsart | Einmalkosten |
|---|---|
| Papierformular | 20,50 € |
| Online-Registrierung | 18,50 € |
| Mit Patientenverfügung | +3,00 € |
| Änderung | 5,00 € |
Wichtig zu wissen
- Die Vollmacht selbst wird nicht gespeichert
- Nur ein Vermerk über die Existenz
- Gerichte erhalten Kontaktdaten des Bevollmächtigten
- Regelmäßige Aktualisierung empfohlen (alle 2-3 Jahre)
Vollmacht ändern oder widerrufen
Eine Vorsorgevollmacht ist kein starres Dokument. Sie können sie jederzeit ändern oder widerrufen, solange Sie geschäftsfähig sind.
Wann sollten Sie die Vollmacht überprüfen?
- Alle 2-3 Jahre: Regelmäßige Überprüfung
- Nach Lebensereignissen: Scheidung, Tod, Zerwürfnis
- Bei Umzug: Neue Adresse eintragen
- Gesetzesänderungen: Ggf. Anpassung nötig
Vollmacht ändern
Option 1: Neue Vollmacht
- Alte Vollmacht vernichten
- Neue Vollmacht ausstellen
- Vorsorgeregister aktualisieren
Option 2: Ergänzung
- Schriftlicher Nachtrag
- Datum und Unterschrift
- Nur bei kleinen Änderungen empfohlen
Vollmacht widerrufen
Der Widerruf muss schriftlich erfolgen:
- Schreiben Sie eine Widerrufserklärung
- Informieren Sie den Bevollmächtigten
- Fordern Sie alle Exemplare zurück
- Benachrichtigen Sie relevante Stellen (Banken, Ärzte)
- Löschen Sie den Eintrag im Vorsorgeregister
Muster-Widerruf
"Hiermit widerrufe ich die am [Datum] erteilte Vorsorgevollmacht zugunsten von [Name]. Der Widerruf ist ab sofort wirksam. Ich fordere Sie auf, alle Ausfertigungen der Vollmacht an mich zurückzugeben."
Automatisches Erlöschen
Die Vollmacht erlischt automatisch:
- Mit dem Tod des Vollmachtgebers (es sei denn, transmortale Vollmacht)
- Bei Insolvenz des Bevollmächtigten (bei Vermögensvollmacht)
Muster-Vorlage mit Erklärungen
Hier finden Sie eine Übersicht der wichtigsten Elemente einer Vorsorgevollmacht:
Pflichtbestandteile
- Überschrift: "Vorsorgevollmacht"
- Vollmachtgeber: Vollständiger Name, Geburtsdatum, Adresse
- Bevollmächtigter: Vollständiger Name, Geburtsdatum, Adresse
- Ersatzbevollmächtigter: Optional, aber empfohlen
- Umfang der Vollmacht: Detaillierte Auflistung der Bereiche
- Datum und Ort: Wann und wo erstellt
- Unterschrift: Eigenhändig
Empfohlene Zusätze
- Innenverhältnis: Anweisungen an den Bevollmächtigten
- Kontrollbevollmächtigter: Person, die den Bevollmächtigten kontrolliert
- Gültigkeitsbeginn: Ab sofort oder ab Eintritt der Hilfsbedürftigkeit
- Transmortale Wirkung: Gilt über den Tod hinaus
Kostenloser Generator
Mit unserem kostenlosen Vorsorgevollmacht-Generator erstellen Sie in wenigen Minuten ein rechtssicheres Dokument:
- Persönliche Daten eingeben
- Bevollmächtigten wählen
- Bereiche festlegen
- PDF herunterladen
- Unterschreiben und ggf. beglaubigen lassen
Nach dem Erstellen
- Vollmacht unterschreiben
- Ggf. beglaubigen lassen
- Im Vorsorgeregister eintragen
- Bevollmächtigten informieren
- Kopie an Hausarzt
- Sicher aufbewahren (nicht im Tresor!)
Häufige Fragen zur Vorsorgevollmacht
Kann mein Ehepartner nicht automatisch für mich handeln?
Nein. Auch Ehepartner haben keine automatische Vertretungsbefugnis. Seit 2023 gibt es ein gesetzliches Notvertretungsrecht für Ehepartner, aber nur für maximal 6 Monate und nur für Gesundheitsangelegenheiten.
Ab welchem Alter sollte ich eine Vorsorgevollmacht erstellen?
Ab 18 Jahren ist eine Vorsorgevollmacht sinnvoll. Unfälle und schwere Krankheiten können in jedem Alter auftreten. Spätestens mit Familiengründung oder Immobilienkauf sollten Sie vorsorgen.
Kann der Bevollmächtigte mein gesamtes Vermögen verbrauchen?
Theoretisch ja, wenn Sie ihm Vermögensvollmacht erteilt haben. Deshalb:
- Wählen Sie nur absolut vertrauenswürdige Personen
- Erwägen Sie einen Kontrollbevollmächtigten
- Begrenzen Sie ggf. Beträge oder Handlungen
Was kostet eine Vorsorgevollmacht?
| Variante | Kosten |
|---|---|
| Selbst erstellt (unser Generator) | Kostenlos |
| Unterschriftsbeglaubigung | 20-50 € |
| Notarielle Beurkundung | 60-300 € je nach Vermögen |
| Registrierung | 18,50 € |
Gilt meine Vollmacht auch im Ausland?
Grundsätzlich nicht automatisch. Für regelmäßige Auslandsaufenthalte:
- Prüfen Sie die Rechtslage im jeweiligen Land
- Erwägen Sie eine zusätzliche Vollmacht nach dortigem Recht
- EU-Länder: Oft gegenseitige Anerkennung
Wo sollte ich die Vollmacht aufbewahren?
- Nicht im Banksafe (nicht erreichbar bei Notfall!)
- Gut: Zu Hause an bekanntem Ort
- Besser: Beim Bevollmächtigten
- Am besten: Kopien an mehreren Stellen + Registrierung